Data und AI: Die Zukunft von Data & Analytics
Wir erleben die letzten Tage klassischer Datenarbeit. Künstliche Intelligenz ist dabei, die Art und Weise, wie wir Wissen aus Daten generieren, grundlegend zu verändern. Wir haben mit Markus Enderlein, unserem Data & AI-Visionär gesprochen, welche Chancen und Herausforderungen damit für Unternehmen verbunden sind und wie es ihnen gelingen kann, die Transformation bestmöglich zu meistern.
Aktuell sind viele Unternehmen noch damit beschäftigt, eine zukunftsfähige Datenstruktur aufzubauen, um künstliche Intelligenz überhaupt wertschöpfend einzusetzen. Wird KI die Arbeit mit Daten vereinfachen oder wird es jetzt noch komplizierter?
Künstliche Intelligenz wird die Arbeit mit Daten auf mittlere Sicht deutlich vereinfachen. In der Übergangsphase müssen wir uns an das neue Werkzeug natürlich gewöhnen und es wird einige Anpassungshürden geben. Grundsätzlich wird KI in zwei Bereichen unterstützen: in der Nutzung von Daten und in der Datenvorbereitung.
Heute braucht man für die Datenarbeit noch tiefes Expertenwissen. Bald wird dank KI fundiertes Fachwissen ausreichen, um Datenanalysen vorzubereiten. Vor allem generative KI spielt hier eine wichtige Rolle. Es wird sich die Rolle der Citizen-Data-Engineers etablieren, der Analysen über Tools mit wenigen Klicks oder im Dialog mit Chatbots erstellt. Bereits heute integrieren viele Datenwerkzeuge KI-Features, um frühzeitig und automatisiert Fehler zu erkennen oder auf Anomalien hinzuweisen. Diese Entwicklung wird sich fortsetzen.
Metadaten spielen bei der Datenaufbereitung eine entscheidende Rolle. Häufig liegen sie in Unternehmen nicht in ausreichender Qualität vor. Kann KI dieses Problem lösen und die Datennutzung antreiben?
Wenn Metadaten teilweise fehlen, kann künstliche Intelligenz Daten dennoch sehr gut verarbeiten, sofern diese in einfachen bzw. leicht interpretierbaren Strukturen vorliegen. Möchte ein Unternehmen beispielsweise herausfinden, welche seiner Produkte an welchen Standorten besonders stark nachgefragt ist oder wie saisonale Schwankungen ausfallen, muss eine Tabelle mit den Spalten Produkt, Datum, Ort, Preis, Menge analysiert werden. In der traditionellen Analyse mussten wir bisher Datensätze mit Metadaten anreichern, um verlässliche Ergebnisse zu erzielen. Bei KI-Einsatz kann dies entfallen.
Aber wenn wir uns vorstellen, dass wir Daten haben, die über 30 bis 40 Tabellen verteilt sind, und deren Beziehungen über mehrere Verknüpfungen hergestellt werden muss, wobei eine Verknüpfung jeweils zu den Stammdaten geht und eine andere zu den fachlichen Inhalten, dann kann KI diese Komplexität nicht kompensieren. Erst recht nicht, wenn wir statt eines einfachen Geschäftsmodell aus dem Einzelhandel ein komplexes Geschäftsmodell, beispielsweise aus dem Bereich Finanzen, zugrunde legen, das diversen regulatorischen Anforderungen unterliegt. In diesen Fällen brauchen wir – zumindest derzeit – weiterhin fachliche Metadaten, um diese Strukturen in einer Analyse richtig zu bewerten.
KI kann also noch nicht alle Probleme lösen, doch in vielen Fällen die Komplexität der Datenanalysen massiv reduzieren, sodass Citizen Engineers Datenprodukte erstellen können. Welche Voraussetzungen müssen Unternehmen schaffen?
Aktuell sind die meisten Dateninfrastrukturen zentral um ein Data Warehouse oder einen Data Lake aufgebaut. In Zukunft werden wir mehr dezentrale Lösungen wie Data Fabric oder Data Mesh sehen. Statt einer monolithischen Datenlösung entstehen dann in den Fachbereichen kleinere, spezialisierte Datenprodukte.
Welche Vorteile bietet der dezentrale Ansatz konkret?
Es findet eine Demokratisierung der Datenarbeit statt. Die Lösungsentwicklung, die bisher stark von der IT getrieben war, verlagert sich in die Hände der Fachbereiche und ihrer Datenanwender. Entwickelt wird, was Anwender benötigen. Und das wesentlich schneller als bisher. Es greifen hier marktwirtschaftsähnliche Prinzipien. Unternehmen gewinnen auf diese Weise Agilität und können datenbasiertes Arbeiten einfacher und effektiver im Unternehmensalltag verankern.
Damit diese Effekte eintreten, müssen vor allem große Unternehmen und Konzerne aber darauf achten, dass diese dezentralen Datenprodukte unternehmensweit bekannt werden, indem sie über interne Marktplätze bereitgestellt werden. Andernfalls könnten Fachbereichsnutzer Lösungen doppelt entwickeln und würden Ressourcen verschwendet.
Ist das zentrale Datenmanagement ein Auslaufmodell?
Nein, es braucht weiterhin einen Verantwortlichen, der die dezentrale Datenlandschaft im Blick hat, koordiniert und darauf achtet, dass alle wichtigen Datenprodukte vorhanden sind. Denn es wird Datenprodukte geben, die für die Fachbereiche in der Erstellung zu aufwändig oder aus anderen Gründen unattraktiv sind. In dem Fall müssen Unternehmen weiter nach planwirtschaftlichen Prinzipien zentral entwickeln oder finanzielle Anreize für eine Umsetzung bieten.
Diese Phase, in der Unternehmen ihre Datenprodukte über interne Marktplätze verteilen, ist gerade erst an ihrem Anfang. Wie wird die Entwicklung weitergehen?
Die digitalen Marktplätze werden für einige Jahre eine Schlüsselrolle in der Data und AI-Welt von Unternehmen spielen. Auf ihrem Höhepunkt werden die Marktplätze allerdings verschwinden. Dann wird künstliche Intelligenz so weit entwickelt sein, dass sie die Interpretation und Visualisierung der Daten komplett übernimmt.
Bisher werden Datenprodukte benötigt, um die Interpretation für spezifische Fragestellungen und die Visualisierung zu ermöglichen, in Zukunft wird KI alle vorhandenen Daten auf Anfrage interpretieren und darstellen. Spezielle Einzelprodukte benötigen wir dann nicht mehr und die Marktplätze haben ihre Daseinsgrundlage verloren.
Was können und sollten Unternehmen heute tun, um bei der „Data und AI“-Transformation ihrer Datenprozesse vorne mit dabei zu sein?
Wir empfehlen, viel auszuprobieren. Es geht nicht darum, alles auf eine Karte zu setzen, aber Unternehmen sollten Use Cases sammeln und umsetzen, damit ihre Mitarbeitenden erleben, was KI für sie bedeuten kann. In der Regel ist es sinnvoll, erst einmal bestehende Prozesse mit KI zu optimieren, statt ganz neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein einfacher Einstieg ist beispielsweise die Dokumentensuche über Chatbots zu vereinfachen.
Wichtig bei aller Experimentierfreude und Aufbruchsstimmung ist das Thema KI Governance. Bestimmungen zu Datensicherheit und Datenschutz wie das Europäische KI-Gesetz müssen eingehalten werden. Das gelingt bei ersten Pilotprojekten noch leicht. Entscheidend ist es, dass Unternehmen ihren KI-Einsatz so aufsetzen, dass sie die Governance-Prozesse skalieren.
Es scheint fast so, als würden Data & Analytics-Berater bald überflüssig. Wie siehst du die Zukunft der Branche?
Unsere Expertise wird weiter gebraucht, aber unsere Arbeitsweise wird sich verändern Sie verändert sich heute schon. Das Entwickeln von Data & Analytics verliert an Bedeutung. Wichtig werden die strategische und fachliche Beratung und die Bereitstellung von Plattformen. Hinzu kommt die Wissensvermittlung. Denn daran scheitert es noch oft: Mitarbeitende verfügen nicht über die Skills, die Data Literacy, um Daten richtig zu interpretieren und strategisch einzusetzen. Fehlen diese Kompetenzen, kann auch KI das nicht kompensieren.
Ein Beitrag von:
Markus Enderlein
INFOMOTION
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